
Auf der Bundesdelegiertentagung der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV), die am 2./3. Dezember 2011 im Berliner Konrad-Adenauer-Haus stattfand und in diesem Jahr unter dem Leitwort „Europa braucht Wahrheit und Verständigung" stand, wurde der langjährige Bundestagsabgeordnete Helmut Sauer (Salzgitter), Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien (LMS) in Niedersachsen, mit 91 Prozent der Delegiertenstimmen in seinem Amt als Bundesvorsitzender der in der CDU/CSU organisierten Vereinigung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler bestätigt.
In seiner Rede zog Sauer Bilanz aus zwei Jahren konsequenter Vertriebenenpolitik der OMV. Dabei betonte er zunächst, das diesjährige Motto sei ein „General-Leitwort für die politische Arbeit" der Vereinigung. Seit der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen" im Jahre 1950 habe sich die OMV stets für ein geeintes Europa der Nationalstaaten eingesetzt, in dem Wahrhaftigkeit und Klarheit die Prinzipien im Umgang der Staaten miteinander seien. Diese müssten aber genauso auch nach innen vertreten werden, denn „auf Lügen lässt sich nichts aufbauen."
Der Begriff „europäische Wertegemeinschaft" dürfe sich nicht auf den Euro als Währung beschränken.
Dies erklärte er mit Blick auf die europäische Grundrechtscharta, von der für Polen und Tschechien Ausnahmen gemacht wurden. Diese Länder hatten sich geweigert, im Zuge ihrer EU-Aufnahme ihre Vertreibungsdekrete abzuschaffen. Sauer verwies auf seine 1994 in den Bundestag eingebrachten Forderungen, die nach langem Ringen mit der SPD hatten verabschiedet werden können: 1. Heimat ist Menschenrecht. 2. Vertreibungen jeder Art müssen international geächtet werden. 3. Verletzte Rechte müssen anerkannt werden. Erst wenn diese von der OMV stets vehement vertretenen Forderungen frei geäußert werden könnten und „sämtliche Unrechtsdekrete auf der Müllkippe der Geschichte" gelandet seien, könne von einer „europäischen Wertegemeinschaft" wirklich gesprochen werden.
Im Folgenden fand der OMV-Bundesvorsitzende lobende, aber auch kritische Worte für nahezu sämtliche Entwicklungen im Bereich der Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik und der Politik für die deutschen Volksgruppen seit 2009. So stellte er zum Beispiel die guten Fortschritte der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" heraus, machte aber deutlich, wie wichtig sichtbare Ergebnisse noch vor der Bundestagswahl 2013 seien und wie sehr es bis zur Eröffnung der Dauerausstellung darum gehen müsse, das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen als zentrales Element zu verteidigen. Lobend betrachtete Sauer die Polenreise des Bundespräsidenten Christian Wulff. Wulff hatte sich in Breslau mit fast allen Funktionsträgern der deutschen Volksgruppe in Polen getroffen und so ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit gesetzt. Mahnend erwähnte Sauer, dass endlich wie selbstverständlich Vertreter der deutschen Vertriebenen bei solchen Reisen des Bundespräsidenten, des Bundesaußenministers oder anderer hochrangiger Regierungsvertreter mitgenommen werden sollten. Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer habe dies bei seinen Besuchen in Tschechien gezeigt, bei denen beide Male sudetendeutsche Delegationen dabei gewesen waren. Als positiv bewertete Sauer außerdem die neuesten Entwicklungen in der Gesetzgebung für die Spätaussiedler im Bereich des Familiennachzugs und der Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Aber auch hier könne man sich nicht zurücklehnen: Die Gesetzestexte dürften durch das Bundesverwaltungsamt nicht falsch ausgelegt und gegen die Aussiedler benutzt werden. Dazu sei es unerträglich, dass studierte Ärzte als Taxifahrer und ausgebildete Krankenschwestern als Putzfrauen arbeiten müssen, nur weil diese zu den Ausbildungen gehören, die in Deutschland noch immer nicht anerkannt werden.
Insgesamt seien besonders die kritischen Punkte seiner Rede ein Indiz dafür, dass „die OMV ständig in unseren Parteien, in der Fraktion, in der Regierung mit Rat und Tat benötigt wird, um die Interessen der Vertriebenen und ihrer Verbände zu vertreten." Deshalb werde die Vereinigung auch weiterhin „das unruhige Gewissen in der CDU/CSU bleiben", schloss Sauer.
Die Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, begrüßte die Arbeit der OMV und der anderen Vereinigungen der Partei als „lebendigen Ausdruck dessen, was eine Volkspartei ausmacht." Insbesondere die europapolitischen Ziele der CDU ständen in Tradition zu den Idealen der Heimatvertriebenen, wie sie in der Charta dargelegt sind. Somit erfüllten die Vertriebenen in dieser Hinsicht eine wichtige Vorbildfunktion für Deutschland und Europa, erklärte Merkel. Wer so wie Deutschland an einer sicheren europäischen Zukunft arbeite, „muss sich immer seiner Geschichte bewusst sein, und zwar in all ihren Facetten." Aus diesem Grund unterstütze sie auch Initiativen für einen Vertriebenengedenktag.
Die Kanzlerin hob hervor, dass die Verantwortung Deutschlands für die furchtbaren Untaten in Krieg und Holocaust niemals geleugnet werden dürfe, aber ebenso „ist und bleibt Vertreibung bei aller historischen Wahrheit natürlich ein Unrecht." Aus dieser Perspektive sei die Leistungen der Heimatvertriebenen beim Wiederaufbau nach dem Krieg nicht hoch genug zu würdigen. Zum Thema „Recht auf die Heimat" sagte sie: „Heimat ist etwas, das global eher wichtiger wird für jeden Einzelnen."
Als CDU-Vorsitzende dankte Merkel der OMV für die manchmal kritische, aber stets konstruktive Bewertung ihrer Arbeit und sicherte zu: „Die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die wir in der Vergangenheit hatten, wird auch in der Zukunft fortgesetzt." Als Bundeskanzlerin bekräftigte sie außerdem: „Diese Bundesregierung wird auch weiterhin ein starker Partner an der Seite der Heimatvertriebenen bleiben."
Dr. Christoph Bergner MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie Vorsitzender der CDU-Aussiedlerkonferenz, begann seinen Beitrag mit einem Lob: „Die OMV verteidigt einen der Markenkerne der CDU." Damit hob er auf die jahrzehntelange konsequente Arbeit der Vereinigung für die Ziele der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler, Spätaussiedler und deutschen Volksgruppen ab, die daher mit gutem Grund zur Stammwählerschaft der CDU gezählt werden dürften.
Detailliert erläuterte Bergner die politischen Erfolge, die in den vergangenen zwei Jahren für die Aussiedler hatten erarbeitet werden können. Dabei ging er unter anderem auf die „Neunte Änderung des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes" ein, im Zuge derer eine Härtefallregelung für den Familiennachzug von Spätaussiedlern eingeführt werden konnte, sowie auf das Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen, das allen Aussiedlern die Möglichkeit bietet, die Gleichwertigkeit ihrer Abschlüsse nochmals feststellen zu lassen. Gleichzeitig aber zeigte Bergner auf, in welchen Bereichen weitere Anstrengungen notwendig sind.
So könne das Thema „Härtefallregelung" noch lange nicht abgehakt werden, da es gelte, in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsamt eine Regelung zu finden, wie das neue Gesetz im Sinne der Spätaussiedler umgesetzt werden kann. Auch das Thema „Berufs- und Bildungsabschlüsse" könne nicht etwa zu den Akten gelegt werden. Gerade im Bereich akademischer Abschlüsse müsse weiterhin für eine unkomplizierte und am Wohle der Betroffenen orientierte Anerkennungspraxis gekämpft werden. Eine der wichtigsten Aufgaben sei es, auch weiterhin die deutsche Identität der Aussiedler zu stärken, so Bergner. Durch das Zuwanderungsgesetz, das 2005 noch unter der rot-grünen Regierung erarbeitet und verabschiedet wurde, seien auch alle seit 1950 „zugewanderten" Flüchtlinge und Aussiedler als „Menschen mit Migrationshintergrund" abgestempelt worden, auch wenn sie laut Artikel 116 des Grundgesetzes von Geburt an Deutsche sind. Bergner machte klar, es gehe hierbei um „4,5 Millionen Deutsche unter Deutschen", die unter dem Kriegsfolgenschicksal ganz besonders gelitten hätten. Es handele sich um „Deutsche, die als Deutsche nach Deutschland gekommen sind, um in der BRD unter Deutschen als Deutsche zu leben."
Im Anschluss an seine Rede beantwortete der Aussiedlerbeauftragte sämtliche Fragen aus den Reihen der OMV-Delegierten mit Geduld und Sachverstand.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Herr Peter Altmaier MdB überbrachte eine ausdrückliche Gratulation aus der Fraktion und erklärte, er „stehe mit hohem Respekt und großer Bewunderung vor der politischen Arbeit, die von Ihnen unter nicht einfachen Bedingungen geleistet wurde." In seiner Ansprache, in der es Altmaier gelang, die komplexen Probleme der aktuellen Europapolitik einfach und verständlich darzustellen, hob er auch das stets klare Bekenntnis zu Deutschland und Europa hervor, das die Heimatvertriebenen in die CDU hineingetragen hatten. Dieses „europäische Bewusstsein" müsse heute allen EU- und Euro-Partnern abverlangt werden. Das Motto der OMV-Tagung sei auch im Hinblick auf die europäische Grundrechtscharta zu verstehen, erläuterte Altmaier weiter. Ausnahmen davon dürfe es nicht geben.
Ziel müsse es vielmehr sein, die Charta „für das Handeln der Staaten rechtsverbindlich zu machen." Dieses Ziel lasse keinesfalls den Vorwurf des Revisionismus zu. Jedoch „haben wir nie gewollt, dass das eine Leid gegen das andere Leid aufgerechnet wird." Jedes Leid für sich genommen habe Respekt verdient, bekräftigte Altmaier.
Abschließend ermunterte der Parlamentarische Geschäftsführer die Delegierten, ihren Erfahrungsschatz niederzuschreiben, archivieren zu lassen und so der Nachwelt zugänglich zu machen. Nur so könne die wechselvolle Geschichte Deutschlands in all ihren Nuancen erhalten bleiben.
Ein Grußwort sprach der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herr Klaus Brähmig MdB. Er charakterisierte die Vertriebenen als „wichtigste Brückenbauer im europäischen Prozess" und berichtete kurz aus seiner Arbeit innerhalb der Fraktion und der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Brähmig dämpfte Hoffnungen auf eine Eröffnung der Berliner Dauerausstellung vor Ende dieser Legislaturperiode, jedoch setze er sich sehr dafür ein, dass sichtbare Erfolge bis zum 100. Gedenken an Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August 2014 präsentiert werden. Die Generalmobilmachung des Deutschen Reiches sei das entscheidende Datum für das Unglück, das im 20. Jahrhundert von Deutschland aus über die Welt gekommen sei.
Im Zentrum der Diskussion bei der OMV-Bundesdelegiertentagung standen außerdem Anträge, die sich mit dem Schicksal der deutschen Zwangsarbeiter beschäftigten. Immer lauter wird der Wunsch nach einer humanitären Geste in Richtung dieser Kriegsopfer. Männer, Frauen und Kinder hatten hier ein Schicksal erleiden müssen, das bis heute weder gewürdigt noch anerkannt worden ist. Sämtliche Delegierte stellten sich hinter die Forderung, endlich die gesetzliche Grundlage für eine humanitäre Geste in Form einer Einmalzahlung für alle Personen zu schaffen, die als Opfer von Gewalt und Willkür zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Außerdem wurde der Wunsch laut, auch die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland noch lebenden betroffenen Deutschen einzubeziehen. Dabei erfordere das hohe Alter der von der Verschleppung und Ausbeutung Betroffenen eine zügige Lösung.
In den neuen OMV-Bundesvorstand wurden neben dem Bundesvorsitzenden Helmut Sauer gewählt: Christa Matschl MdL (Bayern, Wiederwahl), Egon Primas MdL (Thüringen, Wiederwahl), Gudrun Osterburg MdL (Hessen, Wiederwahl), Rüdiger Goldmann (NRW, Wiederwahl) und Prof. Dr. Michael Pietsch (Rheinland-Pfalz, Wiederwahl) als stellvertretende Bundesvorsitzende. Schatzmeisterin wurde erneut Iris Ripsam (Baden-Württemberg). Als Beisitzer gewählt wurden: Wolfgang Ehlers (Mecklenburg-Vorpommern, Wiederwahl), Oliver Dix (Niedersachsen, Wiederwahl), Fedor M. Mrozek (Schleswig-Holstein, Wiederwahl), Michael Weigand (NRW, Wiederwahl), Margaretha Michel (Bayern, Wiederwahl), Christoph Zalder (Baden-Württemberg), Stephan Krüger (NRW) sowie Adolf Braun (Sachsen, Wiederwahl). Hauptgeschäftsführer der Vereinigung bleibt Dipl.-Vw. Klaus Schuck (NRW).
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